Historische Kriminalpost

 

 

 

 

 

 

 

 

Die historische Kriminalpost vom 18. September 2024

Wilhelm Stieber: Eine bewegte Lebensgeschichte

Hallo!

Wie versprochen, stelle ich Dir heute eine berühmt-berüchtigte Person der Verbrechensbekämpfung in Berlin vor. Es gibt so viel zu erzählen, Gutes und Schlechtes. Du wirst es vielleicht gemerkt haben, ich kann mich selten kurzfassen.
Immerhin war Wilhelm Johann Carl Eduard Stieber nicht nur Jurist, Kriminalkommissar und Chef der Kriminalpolizei, sondern baute auch ein Spionagenetzwerk auf und rettete Bismarck einmal das Leben. Er wurde mehrmals angeklagt und klagte vielfach an. In Teilen nehme ich mir an ihm ein Beispiel für den Kriminalkommissar in meinem Roman. Es lohnt sich also, einen genauen Blick auf sein Leben zu werfen, der aber so vielfältig ausfällt, dass ich dafür noch eine weitere Kriminalpost schreiben werde.
In dieser historischen Kriminalpost beschränke ich mich auf die ersten Jahre und beschreibe, wie Wilhelm Stieber 1850 der Chef der Berliner Kriminalpolizei wurde.

1818 – 1844: Die ersten Jahre 

Geboren am 3. Mai 1818 in Merseburg in eine Beamtenfamilie hinein, wächst Stieber in Berlin auf. Er besucht die Elementarschule und dann das Gymnasium. Sein Reifezeugnis erhält er nach Abschluss der Prüfungen in der Prima, jedoch sind seine Leistungen eher genügend. Doch es reicht, um sich 1838 an der Friedrich-Wilhelms-Universität in Berlin einzuschreiben. Er studiert Jura und Staatswissenschaften, wie es auch in seinem Reifezeugnis vermerkt war.
Ob er Jura daher gegen den Willen des Vaters studierte, der ihn als Theologen sah, bleibt fraglich, ist aber einer der vielen Geschichten über Stieber, die kolportiert werden. In den angeblich echten Erinnerungen »Spion des Kanzlers« [Seewald, Stuttgart, 1978] wird beschrieben, dass er sogar Predigtabschriften im Haus verteilt hätte, um den Vater zu täuschen. Erst nach einer Predigt in der Hofkirche vor dem König hätte er unter Tränen seine Täuschung zugegeben. Der erzürnte Vater hätte ihm daraufhin die finanzielle Unterstützung entzogen.
Fakt ist hingegen, dass er sich mit Schreibarbeiten, Zeitungsartikeln und als Herausgeber des Volkskalenders (seit 1841 unter dem Pseudonym Karl Steffens) etwas hinzuverdient.
Aus dem Militärdienst wird Stieber 1841 nach neun Tagen als untauglich entlassen. Dafür kann er eine der damals wenigen Stellen am Berliner Kriminalgericht ergattern und zwei Jahre später das Referendariatsexamen ablegen.

1844: Der Kriminalkommissar

Doch als Kammergerichtsreferendar hält es ihn nicht lange, er stellt einen Antrag auf Beurlaubung, um in der IV. Abteilung des Polizeipräsidiums als Kriminalkommissar arbeiten zu dürfen. Diese Abteilung gliedert sich in die Kriminal-, Sicherheits- und Sittenpolizei. Dort zeigt Stieber sich als gewiefter Ermittler und kann mehrere Erfolge bei der Verfolgung von Straftätern für sich verbuchen.
Trotzdem wird er im Januar 1845 nicht in den Polizeidienst übernommen, da es Klagen über das Verhalten gibt. So soll es mehrmals zu gewalttätigen Übergriffen gegen Verdächtige gekommen sein und ebenso zur Zerstörung von Möbeln und Einrichtungen bei Hausdurchsuchungen.
Also kehrt er als Referendar zum Kammergericht zurück.

1845: Die Verschwörung im Hirschberger Tal

Seine Erfolge haben seinen Namen bekannt gemacht. Daher wird er schon im Februar 1845 ins Innenministerium gebeten. Aus dem Hirschberger Tal in Schlesien kommen Nachrichten über eine Verschwörung, über einen Plan zum Umsturz und zur Ermordung des Königs. Stieber solle im Geheimen ermitteln, was an diesen Gerüchten dran sei und wer die Beteiligten seien.
Stieber nimmt den Auftrag an und reist nach Schlesien. Er tarnt sich als Landschaftsmaler namens Wilhelm Schmidt, einen Namen, den er auch später noch häufig verwenden wird. Zuerst macht er den Tischlermeister Wurm ausfindig, der seinen Aufruf zu einem Bauernkrieg auch schnell zugibt. Auch der Fabrikant Friedrich Schlöffel wird verhaftet, obwohl Stieber vermeldet, dass die Beweise für eine Verurteilung (noch) nicht ausreichend seien.
Und so ist. Schlöffel wird freigesprochen, wird sich aber aktiv in der Revolution 1848/49 engagieren und zuletzt nach Amerika fliehen. Die Breslauer Behörden beschweren sich über die Untersuchung und werfen Stieber Missbrauch der Amtsgewalt vor. Auch soll er sich unter seinem falschen Namen das Vertrauen der Familie Schlöffel erschlichen haben, was die Öffentlichkeit empört, obwohl es wohl nicht der Wahrheit entspricht.

1845 -1850: Der Verteidiger

Zurück in Berlin arbeitet Stieber wieder am Kammergericht, doch immer mehr auch als Verteidiger. Dabei macht er sich als wortgewaltiger und findiger Jurist einen Namen, der ihm auch nach dem Ausscheiden aus dem Justizdienst 1847 zu einem einträglichen Einkommen verhilft.
Aus der Zeit als Kriminalkommissar lief gegen ihn ein Verfahren wegen der angeblichen (oder auch wirklichen) Misshandlung eines Gefangenen. Obwohl er 1846 freigesprochen wird, ist er als Kammergerichts-Referendar nicht mehr haltbar. So greift er mit seinem Entlassungsgesuch aus dem Justizdienst einer Kündigung vor.
In den nächsten Jahren verteidigt er Männer und Frauen in Fällen von Alltagskriminalität wie Meineid, Straßenraub oder Mord mit unterschiedlichem Erfolg. Auch für die Angeklagten der vorrevolutionären Unruhen 1847 tritt er ein und kann manchen Urteilsspruch abmildern.
Ebenso 1847 reicht er eine 16-seitige Schrift bei der juristischen Fakultät in Jena ein und promoviert so »in Abwesenheit«. Damals ein durchaus gängiger Weg, seinen Doktor zu machen, und gerade die kleinen Universitäten, wie Jena, waren auf die zusätzliche Geldquelle angewiesen. Auch Karl Marx promovierte 1841 auf diese Art in Jena.
Bis 1850 verteidigt Stieber auch viele politischen Fälle, die in Folge der Revolution 1848/49 angeklagt werden, so z.B. den Tierarzt Urban, der wegen des Sturms auf das Zeughaus zu sechs Jahren Festungsstrafe verurteilt werden soll. Durch Stiebers Verteidigungsrede wird daraus ein Jahr Festungsarrest.
Oder die 42 Abgeordneten der preußischen Nationalversammlung, die wegen Aufruhrs angeklagt werden, weil sie zur Verweigerung der Steuerzahlung aufriefen, als die Nationalversammlung aufgelöst worden war. Letztendlich werden nur vier schuldig gesprochen.
Doch die vielen Reden haben seine Lunge angegriffen, die Ärzte raten 1850 zur Mäßigung. Auch werden von den Justizbehörden nunmehr immer öfter nur noch Rechtsanwälte oder Personen, die im Justizdienst standen, als Verteidiger zugelassen. Dafür müsste Stieber zurück in den Justizdienst und das Assessorexamen bestehen. Doch der Justizminister lehnt das Gesuch ab. Eine neue Einkommensquelle für Stieber tut not.

1850: Der Chef der Berliner Sicherheitspolizei

Ende 1850 kann Gottfried Kinkel aus dem Spandauer Zuchthaus fliehen.

[Das ist übrigens der Hintergrund meines zweiten historischen Krimis, den ich gerade plane und in Teilen schon geschrieben habe.]

In Folge dessen wird die Berliner Polizei unter Polizeipräsident v. Hinckeldey neu strukturiert. Stieber wird auch durch die Intervention des Königs Friedrich Wilhelm IV. als Polizeiassessor eingestellt und übernimmt die Leitung der Berliner Kriminalpolizei.
Während der Polizeipräsident Stieber eher als Vermittler zur Staatsanwaltschaft sieht, möchte der König ihn durchaus auch als Ermittler beschäftigt sehen. So reist Stieber im Mai 1851 nach London zur ersten Weltausstellung. Offiziell, um die britischen Behörden zu unterstützen, aber er nutzt die Gelegenheit, um Material gegen den Bund der Kommunisten zu sammeln.
Doch davon und von seinen Erfolgen als Spion des Kanzlers erzähle ich in der nächsten historischen Kriminalpost.

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Bis zur nächsten Post am 18. des Monats

Viele Grüße

Maria

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