Historische Kriminalpost
Hallo!
Im Großherzogtum Baden kommt am 26. Februar 1848 die Nachricht vom Sturz des Königs in Paris an (hier zu lesen) und entfacht den Brand der Revolution in den deutschen Staaten. Nachdem der preußische König Friedrich Wilhelm IV. im April 1849 die Kaiserkrone ablehnt, das Nationalparlament nach Stuttgart flieht und sich dann auflöst, und kleinere Aufstände wie in Dresden niedergeschlagen werden (hier zu lesen: HiKriPo 06/2024), ist die Revolte der badischen Soldaten in Rastatt am 12. Mai 1849, und auch in anderen badischen Garnisonen, der Beginn des letzten revolutionären Aufbäumens.
In dieser historischen Kriminalpost geht es um die letzten Stunden der Revolution in Baden, auch lebhaft geschildert in dem Buch »Lenz oder die Freiheit« von Stefan Heym, das ich Dir vorstelle. Weiterhin erzähle ich ein wenig, was diese Ereignisse mit meinen historischen Kriminalromanen zu tun haben. Und am Schluss gebe ich einen Ausblick auf das, was Du in den folgenden HiKriPo-Briefen lesen wirst.
In Freiburg schwören Soldaten, nicht auf das Volk zu schießen, wenn es zum Aufstand kommt. Auch in den Garnisonen in Bruchsal, Lörrach, Karlsruhe und weiteren Städten meutern die Soldaten. Doch erst der Übergang der Soldaten und einiger Offiziere der Bundesfestung Rastatt am 12. Mai 1849 auf die Seite der Volksvereine und der demokratischen Idee verspricht Hoffnung für die Revolution.
Der Landesausschuss der badischen Volksvereine organisiert in Offenburg eine Volksversammlung, in der öffentlich Forderungen an die Regierung und den Großherzog in Karlsruhe gestellt werden.
Zu den Märzforderungen des letzten Jahres (u.a. Volksbewaffnung, Geschworenengerichte und Autonomie in der Gemeindeverwaltung) kommen nun auch die Forderungen nach der Auflösung der beiden badischen Kammern, Rücktritt der aktuellen Regierung, einer verfassungsgebenden Versammlung und Amnesie für politische Vergehen. Über 30.000 Menschen jubeln den Vortragenden unter der Leitung von Amand Goegg zu.
Ein Bote, der mit den Forderungen nach Karlsruhe geschickt wird, kehrt jedoch unverrichteter Dinge zurück: Regierung und Großherzog sind nicht gewillt, den Forderungen nachzugeben. Da kommt die Nachricht aus Rastatt gerade recht. Mit dem Militär auf Seiten der Revolutionäre haben sich die Machtverhältnisse verschoben.
Am 13. Mai meutert auch das Leibregiment des Großherzogs Leopold in Karlsruhe. Der Großherzog flieht in die Bundesfestung Germersheim und ruft die preußischen Truppen zur Hilfe. Auch die Minister verlassen Karlsruhe und so tritt der Landesausschuss der Volksvereine als provisorische Regierung zusammen.
Die Beamten und das Militär verpflichten sich, der Regierung zu dienen. Die Forderungen, die in Offenburg formuliert wurden, werden umgesetzt. Insbesondere werden am 3. Juni die ersten demokratischen badischen Wahlen durchgeführt, bei denen immerhin alle Männer über 21 Jahre ein Wahlrecht haben.
Der liberal-demokratische Politiker Lorenz Brentano eröffnet am 10. Juni als Präsident der gewählten Regierung die verfassungsgebende Versammlung in Karlsruhe.
Doch die Regierung hat es nicht leicht, es fehlt an Geld, anscheinend sind die Kassen der vorherigen großherzoglichen Regierung leer. Und das Land befindet sich im Kriegszustand, denn Prinz Wilhelm von Preußen, der »Kartätschenprinz«, Bruder des preußischen Königs (und ab 1871 erster Kaiser Deutschlands) marschiert über die Pfalz nach Nordbaden ein.
Einem Heer aus 60.000 ausgebildeten preußischen Soldaten stehen 30.000 kampfeswillige Männer entgegen.
Aber nur die Hälfte davon sind Soldaten, hinzu kommen Volkswehren und Freischärler, die sich aus aller Herren Länder aufgemacht haben, um in Baden für die Revolution, die Demokratie und ein einiges Deutschland mit einer Reichsverfassung zu kämpfen. Unter ihnen auch bekannte Namen wie Friedrich Engels und Gottfried Kinkel, beides eher Kämpfer des Wortes.
Nach einigen kleineren Scharmützeln stehen sich die beiden Heere am 21. Juni bei Waghäusel, 30km Luftlinie vor Karlsruhe, gegenüber.
Das Gefecht entwickelt sich gut für die badischen Truppen, sie können das preußische Heer in Teilen in die Flucht jagen. Doch dann befiehlt ein Teil der badischen Heeresführung den Rückzug und gibt die fast gewonnene Schlacht verloren.
In einer heillosen Flucht zieht sich das badische Heer mit seinen zahlreichen Verletzten zurück bis an die Murg. Und Prinz Wilhelm von Preußen steht nach drei Tagen wilder Jagd durch das Land mit den preußischen Truppen vor Karlsruhe. Er nimmt die Stadt ohne Widerstand ein.
— Einige Bilder von den Gefechten kannst Du im Landesarchiv Baden-Württemberg sehen: Landesarchiv . —
Die badischen Truppen, nunmehr nur noch 20.000 Mann stark, teilen sich auf, um eine gute Stellung bei der Murg zu halten. Doch bei den kommenden kleineren Gefechten können sie diese nicht halten.
Über 10.000 Mann ziehen sich in den Süden zurück und erreichen die Schweizer Grenze. Andere desertieren einzeln oder suchen Schutz in der Festung Rastatt.
Doch ab dem 30. Juni wird Rastatt belagert. Die Stadt ist überfüllt, die Stimmung gereizt. Man versucht, die Moral hochzuhalten, veranstaltet Schauspiele und gibt mit dem Festungsboten eine eigene Zeitung heraus. Die Hoffnung liegt auf dem badischen Heer, das sich aber Richtung Schweiz abgesetzt hat.
Über drei Wochen halten Soldaten, Freischärler und Bürger aus. Doch als der preußische Generalleutnant von der Groben mit der Bombardierung der Stadt droht, ergibt sich die revolutionäre Regierung, um die Bürger zu schützen.
Am 23. Juli marschieren die Preußen in Rastatt ein und nehmen alle Aufständischen fest, derer sie habhaft werden.
Wie Carl Schurz in seinen Memoiren schildert, kann er gerade noch durch einen Abwasserkanal aus der Festung fliehen. Sonst wäre er wohl wie 19 andere Revolutionäre in den kommenden Wochen verurteilt und erschossen worden.
Worum geht es?
Der Soldat, Dichter und Frauenheld Andreas Lenz erlebt die Tage der badischen Revolution von der Meuterei der Soldaten in Rastatt bis zur Aufgabe der Stadt über zwei Monate später. Er ist bei der Offenburger Versammlung, arbeitet in der provisorischen Regierung und kämpft bei Waghäusel.
Warum könnte »Lenz oder die Freiheit« für Dich interessant sein?
Das Buch hat mich fasziniert, weil es dem Autor gelingt, ganz nah an die Figuren zu treten, sie und ihre Gedanken, Gefühle, Schmerzen greifbar zu machen. Beim Lesen konnte ich die revolutionäre Stimmung spüren. Das, was ich Dir oben eher nüchtern berichtet habe, wird in diesem Buch lebendig und anschaulich erzählt.
»Lenz oder die Freiheit« von Stefan Heym, btb, 2005 (Original 1965) – [unbezahlte Werbung]
Tatsächlich wurde der Roman auch verfilmt. Ich konnte eine Kopie in der Stadtbibliothek Stuttgart ausleihen, vielleicht gibt es das Buch und den Film auch bei Dir. Es lohnt sich.
Ich schreibe gerade (und schon einige Zeit) an einem historischen Krimi, der in der Zeit nach der Revolution 1848/49 in Berlin spielt.
Mein Protagonist Paul stammt aus einer adeligen Militärfamilie und er soll eigentlich in die Fußstapfen seines gefallenen Bruders und seines Vaters treten. Seinen ersten Kampf erlebt er bei den Märztagen 1848 gegen das Berliner Volk. Und über ein Jahr später steht er auf dem Schlachtfeld bei Waghäusel den badischen Aufständischen gegenüber. Dort wird er schwer verletzt und kehrt als Invalide nach Berlin zurück.
(Mehr wird noch nicht verraten 😉 )
Dies sind nur zwei der historischen Ereignisse, die ich in dem Roman aufgreife. Ein zweiter Roman ist auch schon in Arbeit.
Er handelt u.a. von einem Ereignis aus dem Jahr 1850: die Befreiung von Gottfried Kinkel aus dem Zuchthaus in Spandau durch den Studenten Carl Schurz. Beide kämpften auf der Seite der badischen Aufständischen. Kinkel wurde verwundet und früh verhaftet, Schurz gelang die abenteuerliche Flucht aus dem belagerten Rastatt. So kann er auf Bitten von Kinkel’s Frau Johann 1850 die Befreiung seines Freundes in Angriff nehmen.
Sobald es Neuigkeiten zu meinen Romanen gibt, wirst Du zuerst in der historischen Kriminalpost davon erfahren.
In den letzten sechs Monaten habe ich Dir viel über die Revolution 1848/49 berichtet, von den Anfängen bis zum Ende in Baden. Dabei habe ich einen Schwerpunkt darauf gelegt, was genau vor 175 Jahren passierte. Und vielleicht hast Du Dich schon gefragt: was ist denn mit der Entwicklung der Kriminalpolizei, darüber wollte ich doch etwas lesen?
Das kommt nun in den folgenden HiKriPo-Briefen wieder verstärkt. Als Nächstes werde ich Dir im September eine durchaus umstrittene Person der Berliner Polizei vorstellen. Sei gespannt.
Wie gefällt Dir die historische Kriminalpost? Wovon möchtest Du mehr lesen?
Schreibe mir gerne über mein Kontaktformular, ich freue mich auf Deine Meinung.
Bis zur nächsten Post am 18. des Monats
Viele Grüße
Maria