Historische Kriminalpost
Hallo!
Der 18. März 1848 ist ein einschneidendes Datum in der Revolution 1848/49.
Daher habe ich den 18. des Monats für die historische Kriminalpost gewählt und vielleicht hast Du es gemerkt, ich verschicke sie fast um 18:48 Uhr.
Doch was war los am 18. März? Darum geht es in der heutigen Post, dazu noch eine Rezension zu »Berlin – Feuerland« von Titus Müller.
Was im Februar 1848 passierte, kannst Du hier lesen.
Gegen Mittag versammeln sich die Berliner Bürger, Handwerker, Frauen und Kinder auf dem Schlossplatz. Es herrscht Hochstimmung und ausgelassen wird das Gerücht geteilt: »Der König hat unsere Forderungen erfüllt.«
Schließlich tritt der preußische König Friedrich Wilhelm IV. auf den Balkon und verkündet die Einberufung des preußischen Landestages und die teilweise Bewilligung der an ihn gestellten Forderungen. Jubel brandet auf, Hüte fliegen in die Luft, Hochruf auf den König ertönen überall.
Bis man die Soldaten entdeckt, die am Rande des Platzes aufreiten. Denn eine Forderung erfüllt der König nicht.
»Militär raus!« Vereinzelt, dann immer mehr und lauter ruft die Menge. »Militär raus aus Berlin!« Jetzt drängen die Menschen vor zu den Schlosstoren, die Wachen legen an. Berittenen Soldaten beginnen von der Seite, den Platz zu räumen. Der König zieht sich zurück. In dem Gerangel löst sich ein Schuss, ein zweiter.
Ob jemand getroffen wird, weiß man nicht, hinterher zeigt sich, dass es wohl ein Versehen war.
Aber es ist passiert.
»Der König lässt auf seine Bürger schießen! Auf die Barrikaden.« Die Menge stobt auseinander. Eine blutige Nacht nimmt ihren Lauf.
Im Februar 1848 stürzt der französische König. (Genaueres kannst Du hier lesen). Die Nachricht von der Revolution in Frankreich breitet sich über das Großherzogtum Baden in alle anderen deutschen und europäischen Staaten aus.
Am 27. Februar kommen die ersten Nachrichten aus Paris in Berlin an. König und Adel sind bestürzt, eine Niederlage für die Monarchie! König Friedrich Wilhelm IV. will sich mit den europäischen Monarchen absprechen, erwägt sogar einen Präventivschlag gegen das revolutionäre Frankreich. Die Erfahrung von 1789 und den napoleonischen Kriegen sitzt tief. Er schreibt einen Brief an die englische Königin Viktoria und schickt General Radowitz nach Wien.
Die Bürger, Handwerker und Arbeiter Berlins saugen jede Neuigkeit aus Paris auf, diskutieren, was es für Preußen bedeutet. Noch trifft man sich in Innenräumen, wie der Berliner Zeitungshalle. Zwei Tage später reagiert auch die Börse in Berlin. Sie meldet fast keinen Handel, die Aktienkurse brechen ein. Die schon angeschlagene Wirtschaft wackelt noch mehr. Es gibt erste Massenentlassungen.
Während in Mannheim und Karlsruhe erste von liberalen und demokratischen Abgeordneten formulierte Forderungen u.a. nach Aufhebung der Zensur, Volksbewaffnung und Geschworenengerichte in der 2. Kammer der badischen Ständeversammlung diskutiert werden, formulieren in Berlin mehrere Stadträte eine Denkschrift (keine Forderungen!) für die Stadtverordnetenversammlung, zu besprechen am 05. März.
Auch wenn der Bundestag in Frankfurt am 3. März allen Mitgliedern des Bundes freigestellt hat, die Zensur aufzuheben, ist es weiterhin in Berlin recht ruhig. Revolution wird in Baden gemacht: In Heidelberg besprechen 51 Liberale und Demokraten die weiteren Schritte. Die Diskussionen sind hitzig, am Ende vertagt man die Entscheidung über konstitutionelle Monarchie oder Republik. Es wird ein Gremium aus sieben Männern gewählt, das die Vorbereitung zu einer Nationalversammlung übernimmt.
Die Denkschrift der Stadträte und eine Petition von Berliner Bürgern wird an die Stadtverordnetenversammlung von Berlin überreicht.
Erst am Abend des 6. März treffen sich im Vergnügungslokal »In den Zelten« (das vor dem Brandenburger Tor und damit außerhalb der Obrigkeit liegt) eine Handvoll Männer und diskutieren über eine Adresse an den König, in der sie die Märzforderungen aus Baden aufnehmen wollen. Am nächsten Tag sind es schon fast 600 Bürger, Handwerker, Arbeiter, Frauen und Männer. Es wird eifrig diskutiert, bis die Forderungen feststehen:
Wie die Adresse an den König überreicht wird, soll morgen im kleinen Kreis besprochen werden.
Am 8. März verspricht König Friedrich Wilhelm IV. in Bälde und unter bestimmten Umständen die Zensur aufzuheben. Die Berliner Bürger sind skeptisch, sie haben schon viel gehört von ihrem König. In der Berliner Zeitungshalle treffen sich die Delegierten der Zelten-Versammlung. Sie überlegen, wie die Adresse mit den Forderungen an den König herangetragen werden kann. Eine persönliche Übergabe an den König mit dem Volk vor dem Schloss?
Der Polizeipräsident Julius von Minutoli mischt sich ein, prophezeit Polizei- und Militäreinsatz und verunsichert die Delegierten. Sie überreichen die Adresse an die Stadtverordneten und bitten darum, sie an den König zu übergeben. Doch die Stadtverordnetenversammlung beschließt, dem König nicht die Zelten-Adresse, sondern nur ihre eigene, moderater formulierte Petition zu überreichen.
In Heidelberg und Frankfurt werden derweil Vorbereitungen getroffen für die Einberufung eines Vorparlamentes, das Wahlen zur Nationalversammlung organisieren soll.
Und in Wien erhebt sich das Volk, stürmt das Ständehaus. Eine Gewehrsalve der Soldaten mäht zahlreiche Bürger nieder. Das Volk bewaffnet sich, zieht zur Kaiserburg und fordert u.a. die Entlassung Metternichs, der sich verantwortlich zeichnet für die Unterdrückung der demokratischen Gedanken in den letzten 30 Jahren. Der österreichisch – ungarische Kaiser geht auf die Forderungen ein und befiehlt seinen Rücktritt, Metternich flieht nach England.
Am 13. März, einem Montag, treffen sich bei schönem Frühlingswetter mehr als 10.000 Männer, Frauen, viele Handwerker und Arbeiter »In den Zelten« vor den Toren Berlins. Reden werden geschwungen, weitere Beschlüsse aber nicht gefasst. Danach zieht die friedliche Menge durch das Brandenburger Tor auf das Schloss zu, direkt in die blanken Klingen der Kürassiere. Viele werden verletzt, Einer stirbt.
Als der Magistrat am nächsten Tag seine Adresse überreicht, lehnt König Friedrich Wilhelm IV. unumwunden weitere Zugeständnisse ab. Erneute, brutale Zusammenstöße zwischen Militär und Volk nach Einbruch der Dunkelheit fordern weitere Tote und Verletzte.
Eine Deputation aus 27 Bürgern will vermitteln, fordert den Rückzug des Militärs und die Bildung von Schutz-Kommissionen durch die Bürger. Auf dem Schlossplatz fliegen Steine gegen das massive Militäraufgebot. Die Soldaten schlagen unbarmherzig zurück, jagen unbescholtene Passanten durch die Straßen, es gibt Tote und Verletzte. Gleichzeitig erreicht die Nachricht von der erfolgreichen Revolution aus Wien die Stadt und wird aufgeregt diskutiert. Was ist in Berlin möglich?
Am Mittwoch erklärt der preußische König, dass die Unruhestifter der vergangenen Tage aus Frankreich, Polen und der Schweiz kämmen. Und die Toten seien eh ehemalige Straftäter gewesen. Sind die Soldaten also eher die Beschützer des Volkes?
So stellt es sich auch am Abend des folgenden Tages dar, als die unbeholfenen Schutzkommissare eben nicht für Ruhe und Ordnung sorgen. Aber die Infanterie schießt willkürlich in die Menge, die Kavallerie reitet auf dem Opernplatz die Leute nieder, »um zu helfen«. Die Einwohner Berlin glauben der Propaganda nicht und werden von Tag zu Tag wütender auf das Vorgehen der Soldaten.
Daher formulieren mehrere Bürger und Stadtverordnete eine erneute Adresse mit der Forderung nach Einberufung des Landtages, Pressefreiheit, Abzug der Soldaten und Einsatz einer Bürgerwehr. Die Adresse soll öffentlich dem König zugestellt werden, ein Aufruf zur Demonstration am 18. eilt durch die Stadt.
In der Frühe des 18. März 1848 treffen sich die Stadtverordneten und beschließen auf Betreiben des Innenministers, die Adresse umgehend dem König zuzustellen, damit es nicht zu einem Auflauf kommt. Tatsächlich stimmt König Friedrich Wilhelm IV. den Forderungen zu und zusätzlich noch der Änderung der Ministerien. Über eine deutsche Einigung und eine deutsche Verfassung soll der Landtag bestimmen.
Die glücklichen Berliner ziehen vor das Schloss, um ihren König hochleben zu lassen …
Nach den Schüssen vor dem Schloss lässt sich die Katastrophe nicht mehr aufhalten. In der Stadt werden hunderte Barrikaden gebaut, die blutigen Kämpfe dauern die ganze Nacht.
Doch davon erzähle ich in der nächsten historischen Kriminalpost ausführlich.
Passend zum 18. März stelle ich Dir das Buch Berlin – Feuerland von Titus Müller vor [unbezahlte Werbung]
Worum geht es?
Alice, die jugendliche Tochter des Kastellans des Berliner Schlosses, lernt im März 1848 Hannes kennen, der im ärmlichen Stadtteil Berlin, genannt Feuerland, lebt. Sie ist beeindruckt von dem kreativen jungen Mann, der das Beste aus seiner Situation macht und nicht aufgibt.
Ein Roman über erste Liebe, tiefgehende Entscheidungen, die Folgen einer Wahl und vor allem über die Märzrevolution 1848 in Berlin.
Warum empfehle ich Dir »Berlin – Feuerland«?
Dieser historische Roman hat mich begeistert, ich konnte ihn fast nicht aus der Hand legen. Die Geschichte von Alice und Hannes verwebt sich unauffällig, aber immer präsent, mit den Ereignissen im Frühjahr und Sommer 1848. An vielen Stellen lässt Titus Müller Alice und / oder Hannes an den prägenden Situationen der Revolution 1848 teilnehmen und als Leserin habe ich dadurch den Eindruck mitten in der historischen und erzählten Geschichte zu sein. Wundervoll auch die Einbindung des Berliner Schlosses, in dem Alice lebt, und ausgezeichnet die feinen Nuancen der historischen Zeit. Ich bewundere die akribische Recherche, die in diesem Buch an vielen Stellen sichtbar wird.
Auch wenn das Ringen um die junge Liebe in »Berlin – Feuerland« natürlich eine Rolle spielt [und das Buch kein Kriminalroman ist, das Genre, das ich sonst bevorzuge], möchte ich Dir den Roman als authentisches, spannendes Buch über die Märzrevolution 1848 ans Herz legen.
»Berlin – Feuerland« von Titus Müller, Heyne Verlag, 2016.
Hast Du Fragen? War die Länge gut für Dich, möchtest Du zu manchen Punkten mehr wissen? Was soll ich Dir in der nächsten historischen Kriminalpost erzählen?
Schreibe mir gerne über mein Kontaktformular, ich freue mich auf Deine Meinung.
Bis zur nächsten Post am 18. des Monats
Viele Grüße
Maria