Historische Kriminalpost

 

 

 

 

 

 

 

 

Die historische Kriminalpost vom 18. November 2024

Eine spektakuläre Flucht

Am 17. November 1850 setzt der Schoner Anna vor Warnemünde die Segel Richtung England.

An Bord gerade genug Weizen, dass das Schiff in den Novemberwinden sicher übersetzen kann. Und zwei Männer, Gottfried Kinkel und Carl Schurz, die meist gesuchten Männer in Preußen.

Was passiert ist, erzähle ich in dieser historischen Kriminalpost, dazu noch wie es um meinen Kriminalroman steht.

Ich schreibe ja Kriminalromane mit echten historischen Ereignissen als Hintergrund.

Und die Befreiung Kinkels an sich ist schon ein »Krimi«, aber ich verknüpfe es in meinem zweiten Kriminalroman mit einer Geschichte um Täuschung, Verlust und Selbstgerechtigkeit. Doch vor dem zweiten kommt logischerweise der erste historische Kriminalroman.

 

Darum geht es:

Die Kämpfe auf den Barrikaden 1848 in Berlin haben tiefe Wunden gerissen. Auch Fähnrich Paul von Herrenburg hat seinen älteren Bruder in den blutigen Tagen verloren. Als Paul aus dem Feldzug gegen die badischen Aufständischen schwer verletzt nach Berlin zurückkehrt, erwartet ihn neben der stechenden Verachtung seines Vaters nur ein Leben aus Schmerz, Schuldgefühlen und ohne Sinn.
Doch dann wird sein bester Freund verdächtigt, ein Dienstmädchen getötet zu haben. Paul ist von seiner Unschuld überzeugt und will dem Kommissar den wahren Täter übergeben. Bei seinen Ermittlungen begegnet er der jungen Bäckerin Dora Weißbeck, nicht ahnend, wie eng ihre Schicksale schon verwebt sind. Sie lädt ihn zu den Vorträgen des Arbeitervereins ein.
Und auf einmal geht es nicht nur um seinen Freund, sondern um Pauls eigenes Überleben, wenn nicht gar um die Zukunft der Monarchie.

 

Wie weit bin ich?

Im Moment überarbeite ich meinen Roman. Ich schaue mir dabei jede einzelne Szene, jeden Satz, jedes Wort an und überlege, ob ich sie/ihn/es behalte oder nicht. Es gilt die einzelnen Szenen zu polieren, den logischen Handlungsfaden zu überprüfen, die Personen zum Leben zu erwecken (oder zu töten, auch ein Mord will gut durchdacht beschrieben werden) und die Spannung hochzuhalten.
Mein Plan ist, bis Januar/Februar damit fertig zu werden.

 

Und dann kommst Du.

Ich suche Testleserinnen und Testleser, die den Kriminalroman lesen und mir eine Rückmeldung geben, was ihnen gefallen hat, was irgendwie vll. nicht passt in ihren Augen, was sie irritiert hat und natürlich auch, was sie gut fanden (das ist jetzt doppelt, aber glaube mir, ein Lob tut der wunden Schriftstellerseele einfach unglaublich gut.)
Bist Du neugierig auf den Text? Dann antworte mir doch bitte über mein Kontaktformular. Ich würde mich freuen.

Wer war Gottfried Kinkel?

Geboren 1815 in Oberkassel in eine Pastorenfamilie hinein, studierte Johann Gottfried Kinkel ebenfalls evangelische Theologie in Bonn und Berlin. Er wurde 1838 evangelischer Professor und Dozent für Kirchengeschichte in Bonn.

 

Bonner Zeiten

1839 lernt Kinkel die Komponistin und Konzertpianistin Johanna Mathieux, geb. Mockel, kennen.

Johanna ist gerade aus Berlin zurückgekehrt, nachdem ihr Mann nach sieben Jahren endlich der Scheidung zustimmt. Die Ehe, 1832 geschlossen, beendete Johanna psychisch und physisch angeschlagen schon nach sechs Monaten aufgrund von »Quälereien des Mannes«.

Sie bildete sich als Pianistin in Berlin weiter und verkehrte dort in den Kreisen von Felix Mendelsohn Bartholdy, Bettina von Arnim und Fanny Hensel.

(In dem Buch »Die rebellische Pianistin« von Verena Maatman, Piper, 2023, wird ihre Lebensgeschichte geschildert. Ich habe das Buch noch nicht gelesen, werde es aber definitiv tun, denn Johanna’s Leben war sehr bewegt. [unbezahlte Werbung])

 

Die katholische Johanna und der evangelische Theologe Kinkel freunden sich an und gründen gemeinsam den literarischen Kreis »Maikäferbund«, in dem sie literarische Texte, Gedichte und Anekdoten verfassen und eine interne Zeitung herausbringen. Die Freundschaft zwischen Johanna und Kinkel vertieft sich, doch erst als sie mit dem Ruderboot auf dem Rhein kentern und Johanna, die nicht schwimmen kann, von Kinkel gerettet wird, gestehen sie sich ihre Liebe ein.

Erst 1843 dürfen sie heiraten, drei Jahre nach der offiziellen Scheidung, wie es der Code Napoléon vorschreibt. Dafür konvertiert Johann zum evangelischen Glauben, da eine Wiederverheiratung in der katholischen Kirche damals ausgeschlossen ist.
Dennoch wird Kinkel die Erlaubnis zur evangelischen Lehre entzogen. Um das Aufsehen über die in Augen vieler skandalöse Hochzeit zu vermindern und Kinkel als Professor zu halten, unterrichtet er nun am philosophischen Lehrstuhl Kunst, Literatur und Kunstgeschichte, Themen, die ihm sehr nahe liegen.

Das Ehepaar Kinkel führt eine »neumodische« Ehe, in der sie z.B. auf Gleichberechtigung der Partner und eine gewaltfreie Erziehung der vier Kinder bestehen.

 

Die Revolution 1848 und ihr Ende 1849

Nach der Märzrevolution 1848 wird Kinkel Redakteur der Bonner Zeitung. Er gründet einen demokratischen Verein und wird als demokratischer Kandidat in das preußische Abgeordnetenhaus nach Berlin gewählt. Dort zeigt er sich als mitreißender Redner mit scharfer Logik und eleganter Rhetorik, doch ist er nur einer von wenigen, die offen die Republik (und damit die Abschaffung der Monarchie) fordert.

Die Revolution scheitert. Im Mai 1849 marschiert Kinkel mit Bonner Studenten zum Siegburger Zeughaus und fordert die Herausgabe von Waffen für die Bürgerwehr. Er schließt sich dem badischen Aufstand an und kämpft zusammen mit seinem Studenten Carl Schurz gegen die preußischen Truppen. Dabei wird er leicht verletzt und schließlich gefangen genommen.

 

Gefangen

Nach der Eroberung Rastatt im Juli 1849 richten die Preußen über die Aufständischen. Es werden Todesstrafen ausgesprochen und vollzogen: in Rastatt sterben 19, in Mannheim fünf und in Freiburg drei Aufständische. Kinkel hat Glück, er wird »nur« zu lebenslanger Festungsstrafe verurteilt, die der König auf Intervention von Bettina von Arnim in eine Zuchthausstrafe umwandelt, die Erleichterungen bei dem täglichen Leben in Haft bedeuten.

Zusätzlich wird gegen Kinkel Anklage wegen des Siegburgers Zeughaussturms erhoben. In diesem Prozess, der von Januar bis Mai 1850 in Köln stattfindet, kann Kinkel die Geschworenen mit einer mitreißenden Verteidigungsrede von seiner Unschuld überzeugen und wird freigesprochen. Auf dem Transport von Köln in das Spandauer Zuchthaus springt Kinkel bei einer Rast aus dem Fenster eines Gasthauses, doch seine Flucht endet, als er sich an einem vorstehenden Holz den Kopf anstößt und von seinen Wächtern eingeholt wird.

Die Haft greift Kinkels Gesundheit an, er magert ab. Die Hände zersticht er sich bei der täglichen Spulen, dem Aufwickeln von Garn auf eine Spule (eine Tätigkeit, die eigentlich die weiblichen Gefangenen erledigen). Fast schlimmer greift ihn die Isolierung, der Mangel an Büchern (nur die Bibel ist ihm erlaubt) und die restriktive Zuteilung von Papier und Stiften an.

Seine Frau kann dies nicht lange mit ansehen. Auch haben sich im ganzen Land seit dem Prozess in Köln »Kinkel-Unterstützer-Vereine« gegründet, die Geld sammeln und die Familie unterstützen.

 

Carl Schurz

So tritt Johanna Kinkel eines Tages an Carl Schurz heran und fragt ihn, ob er sich das »Wagestück« zutraut. Schurz ist mit Kinkels befreundet, zusammen sind sie in den badischen Feldzug gezogen. Er kann nach der Kapitulation aus der belagerten Festung Rastatt fliehen und setzt sich in die Schweiz ab, ein sicheres Land für viele der Revolutionäre. Seitdem wird er per Steckbrief gesucht.

Johannas Bitte erreicht ihn in Zürich und er überlegt nicht lange. Von seinem Cousin Heribert Jüssen lässt er sich seinen Pass schicken und reist nun als Heribert in die deutschen Lande ein, erst nach Bonn zu seinen Eltern und Johanna Kinkel, dann weiter nach Berlin. Er wird das Unmögliche wagen, den bekanntesten Gefangenen unter den Augen der preußischen Polizei befreien.

 

Der Plan

In Berlin kommt Schurz erst bei Freunden unter, denen er nichts von seinem wahren Vorhaben erzählt, dann in einer Vorstadt bei einem Vertrauten der Familie Kinkels. Er läuft immer zu Fuß nach Spandau, um keine Aufmerksamkeit zu erzeugen. Dort tritt er mit den Demokraten in Kontakt, die ihm wiederum verschiedene Wärter vorschlagen, die ihm helfen könnten. Doch jeder der drei Angefragten lehnt ab.

Als sich Schurz nach einem Besuch des Badehauses auch noch die Hüfte prellt, scheint der Plan gescheitert. Er reist nach Hamburg, um sich zu erholen.

Doch endlich haben die Spandauer Demokraten den Wächter Brune gefunden. Schurz kommt zurück nach Berlin und sie werden sich einig. Mit Hilfe der Demokraten wird der Transport geplant, vertrauensselige Personen warten an den Wechselstationen, um Kinkel und Schurz nach der Befreiung so schnell wie möglich aus der Stadt und ins Mecklenburgische zu befördern.

 

Die Flucht

In der Nacht vom 6. auf den 7. November hat Brune Wacht und will sich die Schlüssel nehmen, um die Kerkertür aufschließen und Kinkel aus dem Zuchthaus zu führen. Doch gerade an diesem Tag hat der Inspektor die Schlüssel mit nach Hause gekommen. Ohne Schlüssel ist eine Flucht unmöglich.

Die ganze Fluchtkette wird abgesagt.

Brune ist zuversichtlich und schlägt vor, es am nächsten Tag nochmal zu versuchen. Und diesmal sind die Schlüssel da. Kinkel wird am Seil über das Dach heruntergelassen. Man jagt mit der Pferdekutsche nach Rostock.
Dort verbergen sich die beiden, bis ein Schiff organisiert und beladen ist. Kinkel kommt zu Kräften und so kann der Schoner »Anna« am 17. November in See stechen. 14 Tage später werden sie in Edinburgh an Land gehen.

 

Das Ende

Kinkel lässt sich in London nieder, Johanna zieht mit den Kindern hinterher. Er reist im Namen der Demokraten umher, wird Professor für Literaturgeschichte und setzt sich mit Marx, Engels und dem proletarischen Klassenkampf auseinander, den er ablehnt. Johanna stirbt 1858 unter unklaren Umständen, sie stürzt aus dem Fenster, ist davor lange und schwer krank, eine Theorie vermutet einen Selbstmord.

1866 folgt Kinkel dem Ruf an das Züricher Polytechnicum. Er stirbt am 13. November 1882 in Zürich.

Carl Schurz wandert nach Amerika aus, kämpft auf Seiten der Föderierten im amerikanischen Bürgerkrieg, wie so viele 48er (Eighty Forties). Er macht politisch Karriere, wird Botschafter in Spanien und schließlich Innenminister in der amerikanischen Regierung. Er stirbt am 14. Mai 1906 in New York.

 

Folgen

Durch die Befreiung und das öffentliche Aufsehen wird die Polizei neu strukturiert. Die Helfer werden identifiziert und verurteilt. Brune zieht mit seiner Familie nach einer vierjährigen Haftstrafe in seine Heimat zurück. Ein anderer Helfer verstirbt in der Haft, ein weiterer verliert seine Schanklizenz und verarmt.

Hast Du Fragen?
Schreibe mir gerne über mein Kontaktformular, ich freue mich auf Deine Meinung.

Bis zur nächsten Post am 18. des Monats

Viele Grüße

Maria

 

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