Historische Kriminalpost
Hallo!
Die letzten Tage lag Papst Franziskus aufgebahrt im Petersdom, damit sich die Gläubigen verabschieden können. Für manche eine eigentümliche Tradition, einen Toten im offenen Sarg in der Öffentlichkeit zu sehen. Vor 200 Jahren aber noch ganz normal.
In dieser historischen Kriminalpost erzähle ich vom Umgang mit den Leichen im 19. Jahrhundert, stelle das Buch DAS BUCH DES TOTENGRÄBERS von Oliver Pötzsch vor, berichte kurz von der Leipziger Buchmesse und von Neuigkeiten und am Schluss gibt es wieder zwei Schreibimpulse.
Nach der Messe ist vor der Messe:
Am 17. Mai bin ich auf der Buch – Convention in Wolfsegg. Sehen wir uns?
Keine 200 Jahre früher wurden (in der deutschen Gegend) die Verstorbenen in der guten Stube, in ihrer besten Kleidung und frisch gewaschen, aufgebahrt. Alle Verwandten und Bekannten kamen und verabschiedeten sich, sprachen für den Toten gegebenenfalls ein Gebet und kondolierten den Hinterbliebenen.
Nach wenigen Tagen wurde der Tote mit einem Leichenzug von seiner Wohnung zum Friedhof begleitet und beerdigt. Die Aufbahrung hatte aber noch einen weiteren Sinn: gerade im 18. und 19. Jahrhundert war die Angst vor dem Scheintod und dem lebendig Begraben werden groß. Erst mit Eintreten der Totenfäulnis war man sicher, dass diese Person tot war.
Die hygienischen Verhältnisse waren nicht erst mit einem Toten im Raum schlecht, aber gerade ansteckende Krankheiten wie Cholera, Ruhr oder Diphtherie bedingten einen anderen Umgang mit den Leichen. So wurden im 19. Jahrhundert auf immer mehr städtischen Friedhöfen Leichenhäuser gebaut, in denen die Toten bis zur Beerdigung aufgebahrt wurden.
In diesen Leichenhäusern gab es eine Kammer, von der aus der Totenwärter die Leichen zu beobachten hatte, falls sie wieder aufwachten. Aus diesem Grund musste der Wärter auch verheiratet sein, damit er durch seine Frau vertreten werden konnte, um die ersten Lebenszeichen der vermeintlich Toten zu erkennen.
In vielen Leichenhäusern gab es zusätzlich zu der Wärterkammer Apparaturen, wie z.B. eine Klingel, die über eine Schnur mit dem Finger des Toten verbunden war, um ein Signal beim Aufwachen zu hören.
Die Leichenschauhäuser der damaligen Zeit wurden hingegen von der Polizei betrieben, um unbekannte Leichen öffentlich auszustellen.
In Paris eröffnete 1864 die Morgue, die sich in kürzester Zeit zum Publikumsmagneten entwickeln sollte. Die Sensationslust der Menschen war schon damals groß. Denn in der Morgue wurden Leichen ausgestellt. Leichen, die nicht identifiziert waren, Selbstmörder, die in die Seine gegangen waren, Leichenteile, die gefunden wurden. Eine »Attraktion« für die Massen.
In Berlin stand das Leichenschauhaus bis 1839 auf dem Areal des Koppenschen Armenfriedhofs. Eigentlich eher ein Häuschen, befanden sich im Inneren des einstöckigen Gebäudes nur zwei Räume für die Leichenschau und die Sektion.
Im Volksmund das »Thürmchen« genannt, war es 1839 so baufällig, dass ein Umzug in die Räumlichkeiten der Charité notwendig war, bis auf Drängen Rudolf Virchows, des angesehensten Pathologen der damaligen Zeit, Leichenschau und Sektionen ab 1867 im neuen Gebäude der Anatomie stattfanden.
Die ursprüngliche Lage auf dem Armenfriedhof ergab schon deshalb Sinn, weil im Leichenschauhaus die Leichen ausgestellt wurden, die nicht identifiziert werden konnten, sei es, weil sie zu lange im Wasser lagen oder sonst entstellt waren.
Wurden keine Angehörigen gefunden (oder meldeten sie sich nicht, um nicht die Beerdigungskosten übernehmen zu müssen), so wurden die Leichen auf dem Armenfriedhof verscharrt. Im Gegenteil zu der Pariser Morgue durften nur Personen mit berechtigtem Interesse das Gebäude betreten, um die Leichen evtl. zu identifizieren.
Wien 1893: Der junge Inspektor Leopold von Herzfeldt fängt nach traumatischen Ereignissen in Graz in der Wiener Polizeidirektion neu an. Gleich beim ersten Todesfall eckt er mit seinen Kollegen an, weil er neue Theorien der Kriminalistik anwenden will – und weil sein Name jüdisch klingt. Obwohl zuerst noch protegiert vom stellvertretenden Oberpolizeirat gerät er mit seinem Verhalten mehr und mehr in die Defensive.
Nur die Telefonistin Julia steht zu ihm, obgleich sie ein Geheimnis verbirgt.
Bei seinen Ermittlungen begegnet Leo auch Augustin Rothmayer, der neben seiner geliebten Tätigkeit als Totengräber auf dem Wiener Zentralfriedhof gerade an dem »Almanach für Totengräber« schreibt. In dem Buch sammelt er all sein Wissen über Tote und hilft so auch Leo.
Der kauzige Totengräber, der forsche Inspektor und die eifrige Telefonistin sind in ihren Charakteren so sympathisch angelegt, dass es eine Freude ist, das Buch zu lesen.
Die Passagen aus dem Almanach, die einigen Kapiteln vorangestellt wurden und auf Büchern der damaligen Zeit basieren, beschreiben in nüchterner Art den Tod und seine Folgen auf den menschlichen Körper.
(Für mich als Krimischreibende sehr interessant)
Der bzw. die Mordfälle bergen manch düsteres Geheimnis und dringen in die Verderbtheit der mächtigen Menschen ein.
Dazu lebt die Wiener Zeit um 1893 in diesem Buch und auch der Zentralfriedhof spielt eine entscheidende Rolle.
Für mich der spannende Beginn einer Buchreihe, die im Mai mit einem vierten Band fortgesetzt wird.
DAS BUCH DES TOTENGRÄBERS von Oliver Pötzsch, Ullstein, 2021 – [unbezahlte Werbung]
Die letzte Post schickte ich auf dem Weg zur Leipziger Buchmesse ab. Obwohl schon einen Monat her, hier ein kurzer Eindruck:
Schon am Mittwochabend besuchte ich die »1. Leipziger Kriminacht«, eine Lesung mit fünf mehr und weniger bekannten Autoren. Eindrücklich fand ich Volker Klüpfel und Tom Hillenbrand (und ich holte mir meine erste Unterschrift 🙂 ).
Die »Jagd nach Signaturen« verleitete mich auch in den nächsten Tagen zu manchem Bücherkauf – und ich kann nach einem Lesemarathon sagen, sie waren es wert.
Der erste Tag auf der Messe war überwältigend in der schieren Auswahl und den vielen, verschiedenen Büchern, Ständen und Möglichkeiten. Ich nutzte die Führung des BVjA (Bundesverband junger Autoren und Autorinnen), um an einigen Ständen mit »Verlagsmenschen« ins Gespräch zu kommen, und versank im Bereich des Antiquariats. Schon wurde offensichtlich, dass mein Koffer wohl zu klein sein würde.
Am Abend besuchte ich die sehr unterhaltsame Lesung von Frank Goldammer, sein Buch werde ich Euch in einer der späteren Briefe vorstellen.
Die folgenden Tage waren geprägt von vielen guten Gesprächen mit Schreibenden, Verlegenden und Buchbegeisterten. Die Messe war meist ausverkauft, aber ich hatte dennoch nicht den Eindruck, dass es Gedränge und Enge gab. Vielleicht war ich aber auch nie an den »hotspots« und »Publikumsmagneten«.
Dem Sonntag habe ich entgegengefiebert, durfte ich doch meinen historischen Krimi und meinen Schreibratgeber persönlich (kleinen) Verlagen pitchen. Die Gespräche davor (und das Üben im Hotelzimmer) hatten mir eine Sicherheit gegeben, mit der ich meinen Plot gut vorstellen konnte. Alle baten um die Einsendung von Exposé und Leseprobe, nun heißt es warten.
Versüßt wird mir das Warten durch eine tolle Neuigkeit:
Meine Kurzgeschichte »Ein einfacher Auftrag« wird in der Anthologie »Tabak, Tod und Traubenlese« erscheinen, die anlässlich der Vollversammlung der mörderischen Schwestern (zu denen ich gehöre) im Oktober veröffentlicht wird. Die Vorschau findest Du hier: Tabak, Tod und Traubenlese.
Wer ein signiertes Exemplar haben möchte, kann sich gerne bei mir melden.
Und weil das Schreiben ein Handwerk ist, das man üben kann, möchte ich Dich ermutigen, den Stift selbst in die Hand zu nehmen, mit zwei Impulsen aus meinem Adventskalender 2024:
GRÜN
Ich überlege, wo in »Der kleine Prinz« von Antoine de Saint-Exupéry die Farbe Grün vorkommt. Hast du eine Idee? Wohin kann eine »grüne« Geschichte führen?
Weitere Anregungen:
Schreibe 2 Minuten alles auf, was dir zu grün einfällt. Suche dir dann ein Wort aus und schreibe los.
Zitat:
»Als ich letzte Woche an dem großen, grünen Haus in unserer Straße vorbeiging, du weißt schon, in dem die alte Frau wohnt, vor der wir immer so Angst hatten, erinnerst du dich, also dieses Haus, mit dem hohen Gartentor aus Eisen und den fast immer verschlossenen Fensterläden.«
»Neulich« von Eva-Marie Feine aus »dem vogel geht es gar nicht gut«
dem vogel geht es gar nicht gut
Was passiert?
Weitere Anregungen:
Nimm dir die Wortliste vom ersten Schreibimpuls zum Thema »Grün«. Wähle das dritte Wort von oben. Schreibe.
Fröhliches Schreiben!
Hast Du Fragen?
Schreibe mir gerne über mein Kontaktformular, ich freue mich auf Deine Meinung.
Bis zur nächsten Post am 18. des Monats
Viele Grüße
Maria